Ladri di biciclette
Vittorio De Sica, Italy, 1948o
In the impoverished Rome of the early post-war period, painter Antonio finally finds a job: he is supposed to hang up posters with his bicycle. When the bike is stolen, he sets out on foot with his young son to find the thief. But Rome has many streets.
Es ist selten, dass sich ein Film bald achtzig Jahre nach seiner Premiere noch genauso aktuell anfühlt wie zum Zeitpunkt seiner Entstehung. Vielleicht liegt es daran, dass die Ungerechtigkeiten, die Ladri di biciclette beschreibt, in vielen Gesellschaften wieder zu- statt abnehmen. So spezifisch das Milieu ist, das Vittorio de Sica in seinem neorealistischen Meisterwerk abbildet, so allgemein gültig, allgemein verständlich und vor allem allgemein nachfühlbar wird hier soziales in filmisches Drama übersetzt. Gekünstelt wirkt hier nichts, weil nichts von dem, was wir sehen, künstlich ist. Cinecittà, das große italienische Produktionsstudio, das während des Krieges bombardiert wurde, dient statt zum Filmemachen noch immer als Auffanglager für Kriegsvertriebene. Arbeit gibt es kaum, und die Kreise der Solidarität sind eng gezogen. Wer – wie die Hauptfigur des Films – nebst einem guten Herz nur noch ein Fahrrad besitzt, dem wird auch dieses genommen. Mitgefühl lohnt sich nicht, und jeder erlittene Schaden wird, wenn es geht, nach unten weitergereicht. Die Handlung des Films, der streng genommen ein handfestes Melodrama mit gefühlsbetonter musikalischer Untermalung ist, wirkt völlig authentisch und unsentimental. Kaum vorstellbar wäre all dies ohne Lamberto Maggiorani in der Rolle des Tagelöhners Antonio Ricci, dessen bescheidenes Glück, eine Anstellung als Plakatkleber gefunden zu haben, jäh durch den Diebstahl seines Fahrrads zunichte gemacht wird. Sein Gesicht, auf dem sich im Laufe der Suche nach dem Dieb immer mehr resignierte Verzweiflung abzeichnet, ist eines der traurigsten der Filmgeschichte. Was sich vom Film selbst zum Glück nicht behaupten lässt: Trotz der allgemeinen Misere und dem tragischen Verlauf bleiben in der Erinnerung auch und insbesondere die leichteren, von Durchhaltevermögen erzählenden Momente haften. Allen voran die mit seinem Sohn im Restaurant genossene, lange und zähe Fäden ziehende «mozzarella in carrozza».
Dominic Schmid